Der Tod so nah by Bauer Belinda

Der Tod so nah by Bauer Belinda

Autor:Bauer, Belinda [Bauer, Belinda]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2016-08-13T22:00:00+00:00


26. Kapitel

Auf dem Heimweg ging Eve in den Minimarkt am U-Bahnhof. Eigentlich brauchte sie nur Milch, doch nachdem sie die in ihren Korb getan hatte, wanderte sie die Gänge hinauf und hinunter und legte noch ein paar Impulskäufe dazu. Ein Paar Wollstrumpfhosen, eine Sandelholz-Duftkerze.

Die wenigen abendlichen Kunden wandten den Blick von ihrem blutunterlaufenen Gesicht ab.

Sie legte ein Baguette in ihren Korb. Es roch nach Kindheit, und wenn sie nach Hause kam, dachte sie, würde sie es einfach in weiche Stücke reißen und die direkt aus der Tüte essen. Ein Vorteil, wenn man quasi allein lebte, war, dass man nicht auf seine Tischmanieren achten musste. Manchmal aß sie Bohnen und Fischstäbchen gleich aus der Bratpfanne und kam sich dabei vor wie eine Kreuzung aus Cowboy und Höhlenmensch.

Während sie in der kurzen Schlange vor der Kasse stand, beschloss Eve, dass eine Duftkerze das absolut Letzte war, was ein klar denkender Mensch in seinem Leben brauchte. Dann roch es in ihrem Haus eben ein bisschen nach Hamster, na und? Sie gab schließlich keine Gesellschaften.

Schon bei dem Gedanken daran lächelte sie schief, dann nahm sie die Kerze aus ihrem Korb und ließ sie auf dem Regal mit den Süßigkeiten stehen. Stattdessen nahm sie zwei Schokoriegel mit.

Einen für jetzt und einen für Notfälle.

Ein merkwürdiges Geräusch verwirrte Eve, als sie ihr Gartentor erreichte.

Mr Elias schaufelte den Weg durch ihren Vorgarten frei. Er richtete sich auf und sah sie an, eine Schaufel voll Eis in der Hand; sein Atem wölkte um seinen Kopf.

Der lockere, schmutzige Schnee war am Rand des Weges aufgehäuft, und er hatte das feste Eis darunter in breite, zackige Platten zerschlagen, die darauf warteten, hochgehoben zu werden. Die Eisplatte, die bereits auf seiner Schaufel lag, gab eine angedeutete Raute des alten Weges frei, den sie so gut kannte.

Eve war seltsam gerührt. Das hier war etwas, was ihr Vater für sie getan hätte – oder für eine Nachbarin. Eine altmodische Freundlichkeit, frei von den Komplikationen des Feminismus.

»Oh, das ist aber nett von Ihnen!«

»Ach was«, wehrte er ab und wischte ihren Dank schroff mit der Hand beiseite. »Das hätte ich schon viel früher machen sollen.«

Neben dem Tor stand ein offener Sack Salz und wartete darauf, alles sicher und begehbar zu machen.

Eve wurde ganz warm, noch bevor sie ins Haus ging, um Wasser aufzusetzen, damit sie ihm eine schöne Tasse Tee machen konnte.

Später saß Eve im alten Sessel ihrer Mutter, riss Brocken von dem Baguette ab und sah ihrem Vater beim Schlafen zu.

Er lag zusammengekrümmt auf der Seite wie ein Kind; die eine locker geschlossene Faust auf dem Kissen. Der Ehering, den er niemals abnahm, schimmerte im Licht der Straßenlaterne.

Nach jedem Atemzug betete sie zu einem Gott, an den sie nicht glaubte, dass er ihm keinen weiteren gewähren möge.

So sollte man sterben. Warm und geborgen im eigenen Bett und von jemandem bewacht, der einen liebte.

Anderer Leute Zukunft war weniger rosig.

Doch Duncan Singer atmete immer weiter.

Ein.

Und aus.

Und ein.

Eve seufzte. Entweder gab es keinen Gott, oder es war Gott einfach egal.

Ihr Handy klingelte, und sie eilte aus dem Zimmer, um den Anruf anzunehmen.



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